Itchy Feet

Der Lofot 68° N. Norwegen, Teil II

Langsam rollen wir auf die Strassenkreuzung der 888 mit der E10 zu und biegen rechts, Richtung der größten Stadt der Lofoten, nach Svolvær ab. Noch benommen von dem was hinter uns lag, raubte uns schon der erste Anblick völlig den Atem. Uns blieb einfach nichts mehr anderes übrig, als die Lofoten als ‚voll kitschig‘ abzustempeln. Die natürliche Umgebung wirkte so surreal, als wäre sie eine Miniaturlandschaft bzw. eine eben fertiggestellte Filmkulisse für einen weiteren ‚Herr der Ringe‘ Film. Der Himmel spiegelte sich wie die Farben im glasklaren Wasser, es gab nichts Getrenntes nur Einheit und die Schönheit der Schöpfung zeigte sich in aller Pracht.

Um hier noch Worte zu finden, welche die Anmut des Ausdrucks auch nur ansatzweise vermitteln und dieser gerecht werden können, muss man schon weit in die philosophische Ästhetik ausholen…

Das Land der Trolle hat uns verzaubert und so blicken wir erstarrt auf das Unfassbare, dessen Grazie uns emotional überschwemmt. Aufgelöst und zutiefst bewegt sehe ich durch den Sucher der Kamera und bemerke wie mein Blick ständig zwischen Sucher und dem realen Bild vergleicht als ob das, was ich durch die Kamera sehe, nicht real wäre. Mein Finger klebt am Auslöser als wären es die letzten Bilder die ich je machen werde und mein Adrenalinpegel für pures Entzücken konnte nur noch durch das laute Japsen nach Luft übertroffen werden.

Nachdem ich realisiert habe, dass die Welt doch noch nicht untergeht und ich eine fette Serie von Fotos ‚im Kasten‘ hatte, nahm ich den Finger (zögerlich) vom Auslöser. Stativ einklappen, Objektive wechseln und reinigen, Filter vorbereiten, Drohne kalibrieren, Fernsteuerung auf GPS Modus ausrichten, Windrichtung orten, Gefahrenzonen checken, Akkus einsetzen und einen geeigneten Startplatz für die Drohen finden (vielleicht nicht gerade dort wo sich Christiane soeben für ein Sonnenbad niedergelassen hatte).

Hm…, ein guter Zeitpunkt für eine Mitteilung in eigner Sache. Auf dieser Reise brauchte ich täglich und durchschnittlich vier Stunden, um Kameras sowie Objektive zu reinigen, Akkus zu laden sowie Bilder und Videos zu überspielen, zu benennen und zu sortieren. In diesen vier Stunden ist das Fotografieren oder Bearbeiten von Bildern nicht mit eingerechnet! Es ist kein Geheimnis, dass das Morgenlicht von Fotografen sehr geschätzt wird, hm… aber das gibt lange Tage (06:30 bis 23:00) wenn man doch eigentlich wegen dem Nordlicht, der Aurora Borealis hier ist. Mehr dazu in Wort und Bild jedoch später. Kameras auspacken, einpacken, weiterfahren und wieder STOP! Dieses Mal schafften wir gerade mal 500 Meter bevor das Spiel von neuem begann aber seht am besten selbst.

Sildpollnes- Church ⇑ ist eine Gemeindekirche, welche sich in gleichnamiger Bucht befindet und deren Ursprung auf 1891 datiert wird. Restauriert wurde sie 1961 und aufgrund einer leicht zugänglichen, sich neben der Strasse befindenden Anhöhe, ist sie ein absoluter Touristenmagnet. Sildpollen sjøcamp ⇓ liegt gleich neben der Kirche, in Ausnesfjorden, 16 km von Svolvær Richtung Fiskebøl und ca. 8 km vom Svolvær Flughafen – Helle entfernt. Die Spiegelungen in diesen herrlichen Fjordlandschaften sind Genuss und Irreführung fürs Auge. Die Konturen sind scharf, die Farben unheimlich klar, eigenständig, differenziert und dennoch in Symbiose mit ihrer Umgebung.

Farben, Motive und Spiegelungen, durch das Wasser hervorgerufen, vermischen sich oft zu surrealen Bildwelten.

Wir erreichen Svolvær, das mit seinen knapp 5000 Einwohnern und am Golfstrom gelegen ein eher milderes Klima, als Orte die auf dem gleichen Breitengrad liegen (Alaska oder Grönland), vorweisen kann. Die Durchschnittstemperatur beträgt im Juli 13,9 °C und im Januar 1,8 °C. Die Monate mit dem geringsten Niederschlag sind Mai und Juni, mit durchschnittlich 40 mm. Svolvær bietet sich, neben den viele Annehmlichkeiten einer Stadt, auch als Ausgangspunkt zahlreicher Tierbeobachtungen, landschaftlichen Exkursionen und Outdoor Aktivitäten an.

Ein Touristenmagnet sind unter anderem auch die Hurtigruten. Hurtigruta, für „die schnelle Route“, ist die Bezeichnung für die traditionelle norwegische Postschifflinie, die seit 1893 die Orte der über 2700 Kilometer langen norwegischen Westküste verbindet. Heute fahren die kombinierten Fracht-, Passagier- und Kreuzfahrtschiffe die Küstenlinie Norwegens zwischen Bergen und Kirkenes in sechseinhalb Tagen ab, wobei der eigentliche Postverkehr 1984 eingestellt wurde. Im Sommer passieren sie zusätzlich den Trollfjord und den Geirangerfjord. Anbei ein Link zu den verschiedenen Hurtigruten Schiffen.

Die Stadt ist teuer und so schlendern wir gemütlich (aber zielstrebig) den nächsten ‚Coffee Shop‘ an, welcher durch den Duft warmer Zimtschnecken schnell gefunden war. Bei einer großen Tasse Kaffee, den uns heute zur Verfügung stehenden Technologien und WIFI ist es rasch möglich Unterkünfte in der Umgebung zu suchen, welche sich stark von der Preisklasse des Thon Hotel abheben. Ein Rundgang durch das idyllisch im Hafen gelegene Thon Hotel von Svolvær hatten wir uns dennoch gegönnt.

In Kabelvåg, gerade mal sechs Kilometer von Svolvær werden wir fündig. Gemütlich und direkt im geschützten Hafen gelegen beziehen wir ein kleines, über Airbnb angemietetes Häuschen. Endlich wieder mal Füße ausstrecken, eine heiße Dusche und genügen Steckdosen, um alle Geräte und Akkus zu laden. Auch der Spaziergang am Pier ist von Farben und toller Abendstimmung begleitet, während der Leuchtturm an jene nostalgische aber raue Zeit erinnert, wo sich ein hölzernes Fischerboot an das andere drängte. Was sich aber dann nach Einbruch der Dunkelheit am Himmel abgespielt hat, ist ein Naturschauspiel, welches unvergesslich und einmal erlebt, immer wieder eine Reise wert sein wird.

Aurora Borealis… – Polarlichter entstehen, wenn elektrisch geladene Teilchen des Sonnenwinds aus der Magnetosphäre auf Sauerstoff- und Stickstoffatome in den oberen Schichten der Erdatmosphäre treffen und diese ionisieren. Bei der nach kurzer Zeit wieder erfolgenden Rekombination wird Licht ausgesandt. Durch die Energieübertragung rutschen die Elektronen also eine Schale nach außen, danach aber wieder auf die ursprüngliche Schale zurück. Dabei wird elektromagnetische Strahlung emittiert, es wird Licht ausgesandt. Man muss nicht alles verstehen…

Diese Götterboten des Lichts bewirken eine emotionale Achterbahn und versetzen einen in Ehrfurcht, Staunen und unfassbares Entzücken. Die Dimensionen lassen einen schaudern, während Intensitäten und die Bewegung des Lichtvorhanges für pure Hypnose sorgen. Unvergleichbar, unübertroffen, unermesslich!

Am nächsten Morgen tranken wir Kaffee, starrten auf den Himmel und waren immer noch völlig benommen von jenen unglaublich spektakulären Nordlichtern des Vorabends. Unsere Reise ging weiter, die Akkus für die Kameras waren geladen und wir in Vorfreude auf das Dorf Henningsvær. Nach meiner Recherche war es genau mein Ort. Die Bilder, Berichte, Outdoor Möglichkeiten und Geschichten zogen mich einfach magisch an und die Distanzen sind, wie fast überall auf den Lofoten, nicht allzu weit: von  Kabelvåg nach Henningsvær satte 20 km. Henningsvær, das bekannteste Fischerdorf der Lofoten, auch „Venedig des Nordens“ genannt, ist im Winter Zentrum für die größte Dorschfischerei weltweit. Während der Lofot-Fischerei geht es im Hafen hoch her und das ca. 500 Einwohner Dorf hat sein ursprüngliches Milieu mit blankgescheuerten Seehäusern und dichtstehenden Fischerhütten noch bewahrt.

Die Themen Kunst & Kultur bekommen nicht nur in Henningsvær immer mehr Gewichtung, sondern sind durch verschiedenste Objekte und Installationen überall auf den Lofoten anzutreffen. Im folgenden Bild sieht man die gegenüberliegende Landschaft, welche sich im Hohlspiegel wiederspiegelt.

Neben den vielen Outdoor-Möglichkeiten wie Klettern, Wandern, Seekajak, Tauchen, Fischen und MTB sollten natürlich die schmackhaften Indoor-Aktivitäten nicht unerwähnt bleiben, denn die heißen Zimtschnecken (unbedingt mit Zuckerguss probieren!), Muffins und Torten sind einfach ein schmackhaftes MUSS!

Erreichbar ist Henningsvær per Schiff oder über eine der zwei Brücken, die es mit Austvågøya verbinden. Aufgrund seines urtümlichen Fischerdorf-Charakters ist es ein beliebtes Touristenziel, aber auch beliebt bei Tauchern sowie Kletter- und Outdoor-Enthusiasten. Der Ort besitzt einen Kunstrasen-Fußballplatz, welcher, aus der Vogelperspektive und mit der Drohne aufgenommen, einfach sensationell aussieht. Die Bilder stammen aus 500 Metern Höhe und aufgrund des üblich starken Windes ist es einfach eine Geduld- und Wetterfrage, ob und wann man mit der Drohne aufsteigen kann. Es lohnt sich zu warten…

Es ist das Gemisch aus genereller Entspanntheit und jener Naturverbundenheit, dessen Schwingungen nicht nur Henningsvær mit einem besonderen Flair belegen, sondern überall auf den Lofoten zu spüren sind. Reduziert einfach und bodenständig schön, ein wunderbarer Ort der Begegnung und Bewegung. Es ist unser letzter Tag in Henningsvær und natürlich mangelt es auch heute nicht an farblich kräftigen Eindrücken. Der Herbst hat das Land mit seinen satten Gelb- und Orangetönen eingehüllt, so als würde er es mit einem Zaubermantel beschützen und die Farbe ROT darf da natürlich keinesfalls fehlen.

Der Wind fegte die Stassen leer und während es draussen so richtig abkühlte kroch die Wärme, vermischt mit dem vertrauten Geruch von Kaminholz, durch die kleinsten hölzernen Ritzen der Häuser. Keine Frage…, der Himmel war dunkel aber glasklar und das bedeutete für mich, dass ich, aufgrund der Chancen Nordlichter zu sehen, nochmals raus musste (sollte, durfte)… wie auch immer, es war ein Traum.

September 2017 – Lofoten, Teil II

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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